Dienstag, 17. Februar 2009

Wege in die Freiheit: Du bist mein

9. Ökumenische Woche Leverkusen-Manfort 15.03.2002 WEGE IN DIE FREIHEIT
Abschlußgottesdienst am Freitag, 15.03.2002 in der Pfarrkirche St. Joseph

Kanzelgruß
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Wir hören heute das Bundesangebot Gottes an das Volk Israel, das er aus der Gefangenschaft in Ägypten befreit hat. Jetzt lagert es nach drei Monaten Wanderung durch die Wüste am Berge Sinai. Mose bringt seinem Volk folgendes Angebot von Gott:
" ... wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde. .."
(Einheitsübersetzung der Bibel, Exodus (2.Mose) Kap. 19, 5)

Seit Montag begleiten wir das Volk Israel auf seinem Weg, dem wir das Motto "Wege in die Freiheit" gegeben haben. Und die Abende beschreiben solche Wege:
- Zueinander finden
- Gott auf der Seite der Unterdrückten
- der festgenagelte Gott
- die Rettung im Schilfmeer

Heute nun heißt die Überschrift
Du bist mein

Am Anfang war Verunsicherung. Weder hat Mose seine fünf Bücher geschrieben, noch ist es ganz sicher, ob es ihn so gegeben hat, wie er uns in den Büchern begegnet.
Dann aber ging es weniger um Mose als um Gott. Das ist auch so eine eigenartige Sache: Man darf ihm keinen Namen geben, man soll sich kein Bild von ihm machen - und doch sind alle Bücher voll von ihm und seinem Handeln. Er wendet sich den Unterdrückten zu und stärkt ihre Position in dieser Welt. Ja, er befreit ein ganzes Volk und führt es in ein nur ihm bekanntes Land.
Das Volk wird ungeduldig. Es sieht diesen Gott nicht. Und als nun Mose ungewöhnlich lange wegbleibt, schaffen sie sich ein Bild so, wie sie, die in Ägypten aufgewachsen sind, sich einen Gott vorstellen - einen Stier. Doch Gott läßt sich nicht auf ein bestimmtes Bild festnageln. Der Stier wird zerstört.
Das Ereignis am Schilfmeer: Gott läßt die Israeliten durch das Meer trocken hindurchgelangen, ertränkt aber die verfolgenden Ägypter mit Mann und Roß und Wagen . Dies Ereignis wird erst viel später aufgezeichnet und niemand weiß so recht, wie es geschah. Aber die Siegeslieder des Mose - Exodus (2.Mose)15,1- 20 - und der Prophetin Mirjam - Exodus 15,22 f. - sind erhalten. Wir haben eine moderne Nachdichtung vorhin gesungen.
Ja,-"manchmal kennen wir Gottes Willen, manchmal kennen wir nichts," So mag mancher gedacht haben, als er die verwirrenden Angaben hört über das, was in diesem Buch beschrieben ist.
Für mich aber ist eines deutlich geworden: Ein Geschichtsbuch ist das 2. Buch Mose nicht, aber es ist ein Glaubensbuch. Irgendwann - kaum jemand kann heute sagen, wann das war - irgendwann haben Menschen von ihren Erfahrungen berichtet. Aus diesen Berichten wurden Erzählungen und über viele Generationen hinweg entstand schließlich das, was wir heute als Bibeltext, als "Gottes Wort", vor uns haben. Die Bibel ist eine ungemein reichhaltige Sammlung von Glaubenszeugnissen an diesen einen Gott.
Da wird dann auch verständlich, daß dieser Gott keinen Namen trägt und kein Bild von ihm gemacht wurde. "Gott ist anders als wir denken", sagt der Liederdichter Kurt Rommel in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts - "Evangelisches Jugendgesangbuch" , Gütersloh, 1974, Nr. 122, S. 208 - . Das ist unsere Chance! Er begegnet jedem von uns auf eine besondere Art und Weise, die ihm entspricht. Ist das nicht eine ganz neue Art von Freiheit? -
Und so geht es immer mit der Freiheit: Am Anfang ist Unsicherheit da. Wir sind unsicher über das, was unser Freiraum ist und über die Quelle, die uns hilft, wenn wir Hilfe brauchen.
Wir sprachen gestern vom Leben aus erster und aus zweiter Hand. Bald waren wir uns einig, hier von Eigenverantwortung und von fremdbestimmten Leben zu sprechen.
Hier am Sinai legt Gott dem Volk Israel sein Angebot vor. Er stellt es ihm frei, sein Angebot anzunehmen oder nicht. Das Volk nimmt dieses Angebot an. Ich frage mich, was das Volk unter den gegebenen Umständen anders hätte tun können. Später entscheidet es ja anders, es schafft das goldene Stierbild, weil es sich von Gott und Mose verlassen fühlt - Exodus 32 -. Es gibt schon eine Möglichkeit, eine eigene Entscheidung zu treffen. Gewiß, wir sind Gottes Eigentum. Aber er läßt uns Entscheidungsfreiheit. Sein Angebot hat uns bis zum heutigen Tage nicht verlassen. Jesus Christus hat mit seinem Leben, Sterben und mit seiner Auferstehung dieses Angebot Gottes erneuert. Er hat den Gesetzen des Mose eine neue Priorität verschafft: Gott zu lieben und unseren Nächsten wie uns selbst, das ist das wichtigste Gebot!
In diesen Tagen geht ein Ereignis durch Presse und Rundfunk, das für mich eindrucksvoll belegt, wie schwierig es in der Zeit heute ist, Gottes Bundesangebot anzunehmen:
Papst Johannes Paul II. hat dem Bischof von Limburg Franz Kamphaus die Zuständigkeit für die Schwangerschaftsberatung entzogen und dem Limburger Weihbischof Gerhard Pieschl übertragen.
Ich gehe auf den Inhalt des Konflikts nicht ein. Die meisten von uns werden die Diskussion seit 1999 verfolgt haben. Mir geht es um folgendes: Papst und Bischof wissen sich als Eigentum Gottes. Beide handeln, um Leben zu schützen - auch das Ungeborene.
Bischof Kamphaus sagt: "Ich war und bin überzeugt, daß wir auf unserem Wege der Konfliktberatung mehr Kindern das Leben retten können."

Der Papst ist sich in der Verantwortung für die Welt sicher:
Wir würden einen Damm niederreißen, wollten wir hier nachgeben. Und damit meint er wohl, daß im Konfliktfall die Hemmnisse, Leben zu vernichten weltweit durchlässiger würden.
Die Presse spricht vom Rebell Kamphaus und vergleicht ihn mit dem Apostel Paulus, der in der Auseinandersetzung mit Petrus sich durchsetzte und die Heidenmission begann. Ich glaube, das ist ein falsches, vielleicht sogar schiefes Bild. Bischof Kamphaus wäre der erste, der einen solchen Vergleich ablehnte. Für mich ist Bischof Kamphaus eher ein Mensch wie Franz von Assisi, der heilige Franziskus (1181/82–1226). Er sieht die Kreatur, den Menschen in seinen Verstrickungen. Er erkennt, was die Liebe ihm gebietet zu tun. Er ist überzeugt, am Ende siegt die Liebe und das Leben.
Papst Paul Johannes II. versteht seinen Bischof - und doch kann er ihm nicht folgen. Seine Entscheidung zeugt von Einsicht und Rücksicht.
Ich bin dankbar, daß ich dieses Beispiel für die Entscheidung von Christen in unserer Zeit heute hier nennen kann.
Gerade wir Evangelischen neigen leicht zu Pauschalurteilen, meist geprägt von persönlichen Erfahrungen oder Vorurteilen. Ich bin dankbar dafür, daß wir miteinander sprechen und gemeinsam Gottesdienst feiern.
Vor etwa sechs Jahren stand ich schon einmal hier. Die Ökumenische Woche stand unter dem Wort des Propheten Micha: "Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist." - Micha 6,8a - Der Gottesdienst trug das Motto: "Hoffnung im Chaos". Das war zum Ausgang des vergangenen Jahrhunderts.
Ich danke dafür, daß ich als evangelischer Predigthelfer heute hier bei Ihnen sein kann - es neigt sich die Zeit und ein Ende auch dieses Amtes kommt in Sicht. Mögen die Wege in diesem Jahrhundert viele Menscher in die Freiheit führen!

Kanzelsegen
Der Friede Gottes, welcher! höher ist als alle Vernunft, bewahre
Eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Lieder:
GL-"Gotteslob", kath. EG - "Evangelisches Gesangbuch", ev.-WEST
- "Nun jauchzet all ihr Frommen ... GL474/EG 9
- "Manchmal kennen wir Gottes Willen ..." GL 299/EG (Württemberg) 626
- "Im Lande der Knechtschaft ..." GL -/EG 680
- "Gott liebt diese Welt ..." GL 297/EG 409
- "Verleih uns Frieden ..." GL 310/EG 421

Material:
- Martin Noth "Das 2. Buch Mose Exodus", als Band 5 erschienen in der
Reihe "Altes Testament deutsch" - ATD - im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 7.A. 1987, S.121 bis 135

Nachtrag 2013:
Das Verhältnis zwischen Papst und Bischof von Limburg hat sich 2013 verkehrt. Jetzt vertritt der Papst eine Rolle nahe an Franziskus von Assisi, der Bischof verliert sich in traditioneller Repräsentation.
Zu Papst Franziskus vgl. seinen Fragebogen an die Gemeinden.
Zum Presse-Echo auf die Papstumfrage vgl. u.a. ZEIT vom 7.11.13

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